Im Jahre 1867 fand in einem Hörsaal der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin, der heutigen Humboldt-Universität, die Gründung des Akademischen Gesangvereins (AGV) statt. Es war die Geburtsstunde der heutigen Germania, unseres Bundes.
Vorausgegangen war am 11. 9. 1866 die Ernennung des Gesangslehrers am Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster, Heinrich Bellermann, zum außerordentlichen Professor an der Universität zu Berlin. Die Universitätsbehörde forderte ihn im März 1867 auf, für den Gesang zur Feier des Geburtstages des preußischen Königs zu sorgen. Am 22. 3. 1867 schritt Bellermann zur Gründung eines eigenen akademischen Chores. Auf den ersten Anschlag am Schwarzen Brett der Universität fanden sich drei Studenten, Düsterhoff, Mecklenburg und Witte ein, die Gründung des A.G.V. (Akademischer Gesangsverein) fand statt Nach und nach fanden sich einige Klosteraner zuerst zu den Gesangsübungen in der Universität, dann im Singesaal des Grauen Klosters zusammen. Nach dem Singen traf man sich zu einem inoffiziellen Zusammensein in einem Restaurant. |
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1868 fand die erste Sängerfahrt nach Freienwalde statt, der fast jährlich weitere nach Buckow, Falkenberg und immer wieder nach Freienwalde folgten.
Seit 1868 fand nach dem Singen eine allgemeine Kneiptafel statt, die ersten Statuten wurden gedruckt, 1869 wurde die Farbenfrage aufgeworfen, der die von Ernst Bouneß vorgeschlagene Einführung einer grün-goldenen Schleife und des von ihm ersonnenen Zirkels folgte. Bald darauf wurden der erste Wichs (zuerst nur für Chargierte, ab SS 1906 die grünen Kneipjacken) und die erste Fahne angeschafft. Bei den Einzugsfeierlichkeiten 1871 zeigte sich der AGV zum ersten Male mit seinen Farben.
1870 zogen 14 von 24 Mitgliedern ins Feld, zwei Bundesbrüder bezahlten ihren Einsatz fürs Vaterland mit dem Leben (stud.phil.Paul Dabis und stud.phil.Willy Below).
Im WS 70/71 wurde die Vereinschronik begründet und ein Mitgliederalbum angelegt, schließlich entstand 1873 eine Bierzeitung. Der Beitrag war für damalige Verhältnisse gewaltig mit 1 Thaler je Semester, die Hälfte wurde für Noten ausgegeben.
Im WS 71/72 entstand die Mitgliederklasse der Alten Herren, zuvor hatte es neben den Aktiven nur die Ehrenmitglieder gegeben. Noch konnten dem AGV auch Mitglieder anderer couleurtragender Vereinigungen zur gleichen Zeit angehören.
Am 12. Juli 1872 wurde von Bouneß ein Entwurf des Wappens vorgelegt, der im WS 72/73 eine festere Organisation und auch der erste Biercomment folgte. Die ersten Vereinsphilister waren im SS 73 Oskar Leidgebel, Georg Frick und Max Graumann.
Auf dem Commers zur Erinnerung an 70/71 wurde das Moltke-Horn des AGV, der auch die Festleitung innehatte, von Feldmarschall Moltke persönlich eingeweiht. Die Festgesänge der Universität bleiben dem AGV bis 1900 anvertraut.
Bei einer Mitgliederzahl von 26 bemüht sich der AGV im WS 76/77 um die ersten Kartellbildungen mit auswärtigen akademischen Gesangvereinen (in Straßburg und Breslau).
Im WS 77/78 hat der AGV 77 Mitglieder und bildet mit dem ATV und der ALT einen "Verband der freien Vereine" (bis 1884). Im SS 79 werden das Fuxmajorat und das Institut der Leibburschen und Leibfüxe eingeführt.
Nach Aufführungen großer Musikstücke wird 1880 der Komponist Grell Ehrenmitglied, im Studentenausschuß der Universität hat der AGV bis 1889 meist 2 Sitze.
1881 wird der Bierzipfel eingeführt, auf den Veranstaltungen sind bekannte Persönlichkeiten, u.a. auch der Kronprinz anwesend. Erst 1882 kommt es zum Duzcomment unter den Aktiven. Die Generalversammlung wird fortan Convent genannt, eine Zugehörigkeit zu anderen studentischen Vereinen wird verboten, nach auswärts gehende Mitglieder werden Inaktive (ab WS 91/92 nach 6 Semestern, nach der Exmatrikulation dann AH). Das erste Kartell mit Fridericiana Halle entsteht. Im SS 83 wird das erste Fechtzeug gestiftet. Im Mai 1884 wird eine Fechtordnung erlassen, ein Fechtwart eingeführt und Fechtübungen finden zunächst fakultativ statt. Ab dem WS 84/85 gibt es auch die Chargierten in der heutigen Form, zuvor war der Dirigent der Vorsitzende.
Im WS 85/86 wird der AH-Verband begründet. Ab 1890 muß jeder Aktive bis zum 4. Semester an zwei Fechtstunden je Woche teilnehmen. Im SS 91 wird das Maturitätsprinzip angenommen, Immature werden zu Konkantanten ohne Stimmrecht.
Ab WS 91/92 gibt der AGV unbedingte Satisfaktion, zugleich wird er auch an der Technischen Hochschule Charlottenburg offiziell.
Nach weiteren Kartell- und Freundschaftsverhältnissen wird das erste Deutsch-Akademische Sängerfest in Salzburg abgehalten. 1894 erscheinen die ersten Kartellzeitungen, der 1895 die Akademische Sängerzeitung folgt. 1896 wird der Deutsch-Akademische Sängerbund in Dresden gegründet.
Auf der Schlußkneipe des SS 96 legt der AGV Couleur an, im WS wird neben dem AC der BC (Burschenconvent) eingeführt. Familienabende festigen den Bund. Seit SS 98 besteht auch Duzcomment zwischen den Aktiven und Alten Herren. Der damalige Polizeidirektor Lange wird Ehrenmitglied.
Seit 1898 wird auf eigenen Waffen gefochten, nur noch auf diese gegen andere Korporationen Satisfaktion gegeben. Mit dem WS 98/99 wird die Fuxengesangstunde eingeführt. Der AGV ist bei allen großen Feiern in den Ausschüssen vertreten. 1900 wird das Fuxenband eingeführt.
Am 5. 12. 1901 wird durch den AGV der Chargierten-Convent (CC), der spätere (ab 1903) Weimarer CC. in Berlin gegründet, 1922 gab der wiederum unter maßgeblicher Beteiligung der Germania 1919 ins Leben gerufene "Weimarer Verband Deutscher Sängerschaften" sich die Bezeichnung "Deutsche Sängerschaft".
1902 wird der Name "Sängerschaft", 1903 "Germania" angenommen. 1906 erscheint die erste Nummer der "Germanenzeitung". Seit 1907 bemühte sich eine Wohnungscommission um eigene Kneipräme, das damalige Stiftungsfest sah anstelle antiker Tragödien erstmalig ein Konzert (Frithjof von Max Bruch). 1912 wurde die eigene Kneipe in der Linienstraße Wirklichkeit.
Der Zusammenhalt zwischen den Aktiven und Alten Herren war in jener Zeit besonders eng und herzlich. Die Alten Herren beteiligten sich in großer Zahl am Singen und unterstützten die Aktiven nicht nur bei ihren Konzerten durch die Übernahme schwieriger Solopartien, sondern auch, indem sie dem Korporationsbetrieb und dem Auftreten der Aktiven nach außen hin sicheren Rückhalt und Unterstützung gaben.
1914 zogen 162 Germanen für Kaiser und Vaterland ins Feld, 32 gaben ihr Leben für die Heimat. Das Korporationsleben kam in dieser Zeit fast ganz zum Erliegen. Aber bereits im SS 1919 konnte Germania wieder 47 Aktive und 26 Inaktive verzeichnen. Die wirtschaftliche Not der Folgejahre zwang manchen Bundesbruder zur Aufgabe seines Studiums, die abnehmende Aktivenzahl zwang zur Einrichtung eines gemeinsamen Chorbetriebes mit den anderen Berliner Sängerschaften, 1923 fand das letzte eigene Konzert statt. Die Einrichtung der Berliner Festkonzerte zur Reichsgründungsfeier mit über 130 Sängern begann.
1920 wurde die Bundesschwesternvereinigung gebildet, die seitdem viel zu den Veranstaltungen, zum Bundesleben allgemein und zur Ausstattung der Räume beitrug. Die Germaninnen tragen seitdem die Bundesfarben im Weinband.
1926 führte Germania die Bestimmungsmensur (2 Fuxen-, 2 Burschenpartien) ein, damit wurde dem alten Übelstande der unnötigen Formalbeleidigungen zur Erreichung von Partien das Ende bereitet. 1924 bis 1928 vertrat Germania die Deutsche Sängerschaft gegenüber anderen studentischen Verbänden bei der Bildung von Waffenringen. Germania erweiterte den klassisch und studentisch geprägten Liedschatz in diesen Jahren um jugendbewegte Lieder, Quartette und Einzelvorträge traten in den Vordergrund. Die materielle Not jener Zeit bedrohte auch zahlreiche Alte Herren in ihrer Existenz, so daß sich eine Nothilfe für erwerbslose Bundesbrüder konstituierte. Dank deren unermüdlicher Hilfe konnte nicht nur den älteren Bundesbrüdern geholfen werden, sondern auch den jungen Burschen konnten einige frohe Burschenjahre ermöglicht werden.
Im Jahre 1933 konnte zwar die Germania ein schönes großes Heim neu einweihen, aber viele Verbindungen begannen bereits die Umwandlung in sogenannte Kameradschaften oder stellten den Aktivenbetrieb ein. Auch für Germania begann der Nachwuchs auszubleiben, zudem konnten die Farben nicht mehr gezeigt werden. Daher mußte der Generalkonvent des Jahres 1935 den Aktivenbetrieb einstellen. Im Kriege wurde dann auch das Germanenheim ein Opfer der Bomben.
Erst 1950 fanden sich über 100 Berliner Germanen wieder zusammen, 53 Germanen hatten die Kriegszeiten nicht überlebt, lange wurden noch Bundesbrüder gesucht, manches Schicksal konnte nie aufgeklärt werden. In Berlin wurde zunächst eine "Sängerschaft zu Berlin" gemeinsam von allen früheren Sängerschaften gegründet, 1956 erstand dann Germania mit den zwei ersten Nachkriegsfüxen wieder. Juristen, Mediziner, Philosophen, Wirtschaftler und Techniker sammelten sich unter den grün-goldenen Farben und konnten einen lebhaften Aktivenbetrieb bis 1971 durchführen.
Chorsingen und Fechten wurden wieder aufgenommen, selbst im Corporationsring begann Germania wieder eine Rolle zu spielen. Die negativen Entwicklungen der Universitäts- und Lebensverhältnisse im eingemauerten Nachkriegsberlin erzwangen eine Suspendierung des Aktivenbetriebes bis 1985. In diesem Jahre konnte Germania aufgrund intensiver Bemühungen mit 14 Aktivmeldungen den Aktivenbetrieb wiederum aufnehmen, der bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein fortbestand. Streitigkeiten in der Altherrenschaft mit dem Bestreben sich einer anderen personal-und finanzstärkeren Sängerschaft anzuschließen sowie die Verneinung jedes vaterländischen Bestrebens trugen zur Einstellung des Aktivenbetriebes bei. Ein Teil der Altherrenschaft ging kurz nach der Jahrtausendwende den Schritt zur Aufnahme eines anderen sängerschaftlichen Bandes, ein anderer Teil resignierte, während die große Mehrzahl der jüngeren Alten Herren und bisherigen Aktiven 2005 einen Traditionsverein gründete, der Lebensbund und Ziele der Germania Berlin nun fortführt.
Ehemalige Germanen, die noch immer die Fortsetzung einer mehr als 140jährigen akademischen Tradition gutheißen und sich zu Einigkeit und Treue, ihren Bundesidealen, bekennen wollen, sind aufgerufen diesem Traditionsverein beizutreten. Auch alle anderen Studenten oder ehemaligen Studenten mit Liebe zum studentischen Liedgut und zur Heimat sind willkommen!
Vivat, crescat, floreat Germania!